
14 Okt. WER HEUTE NOCH MUSIK MACHT, IST ENTWEDER DUMM ODER KRIMINELL
1. Die letzte Zigarette des Musikers
„Wer heute noch Musik macht, ist entweder dumm oder kriminell.“
Ein Satz wie ein Faustschlag in die Selbstwahrnehmung der Kreativen.
Nicht, weil er übertreibt, sondern weil er trifft und ich kann mich sicherlich selbst davon nicht frei machen.
Musik zu machen ist 2025 kein Beruf mehr, sondern ein Akt des Trotz.
Die Branche ist kein Markt, sondern ein ökonomisches Hungerbecken.
Während KI-Modelle in Sekunden ganze Songs ausspucken, bastelt der Mensch noch an seiner Kickdrum und belügt sich selbst mit der Illusion der Leidenschaft.
Musiker sind das, was der Cowboy nach der Eisenbahn war: romantisch, aber irgendwie auch überflüssig.
Es heißt auch der Musiker sei der Hoffnarr des Kapitalismus.
2. Vom Klang zum Klick
Musik war einmal Ausdruck. Heute ist sie Datenverkehr.
Ein Song ist kein Werk, sondern ein Content-Objekt im endlosen Scroll-Fluss.
Er wird nicht gehört, sondern durchgewischt.
Plattformen wie Spotify haben das Hören industrialisiert.
Das Ziel ist nicht Genuss, sondern Verweildauer.
Und der Künstler? Ein Algorithmus-Optimierer, der seine Kreativität in Playlisten-Tauglichkeit presst.
Was früher Emotion war, ist heute Retention Rate.
Was früher Komposition war, ist Hook-Optimierung.
Was früher Kunst war, ist User Journey.
Musik ist nicht verschwunden. Sie ist nur berechnet worden.
3. Der dumme Musiker: Idealismus als Selbstverletzung
Der dumme Musiker ist kein Idiot. Er ist ein Gläubiger, fast schon wie eine Religion.
Er glaubt an Kunst, Authentizität, Wahrhaftigkeit, also an Mythen, die die Plattformökonomie längst entsorgt hat.
Er schreibt Songs in der Hoffnung, dass Qualität sich durchsetzt.
Tut sie aber nicht.
Er veröffentlicht Alben, obwohl niemand mehr Alben hört.
Er mixt in High-End-Studios, obwohl 90 % der Hörer ihn über Smartphone-Speaker konsumieren.
Der dumme Musiker verweigert die Realität.
Er ist der letzte Romantiker im Maschinenraum.
Er erinnert an den Mann, der bei Sonnenaufgang seine Kerze anzündet, aus Prinzip.
4. Der kriminelle Musiker: Survival of the Fakest
Der kriminelle Musiker hat verstanden, dass Moral im Musikbusiness so viel wert ist wie Fairtrade-Siegel in der Waffenindustrie.
Er kauft Streams, fälscht Klickzahlen, lässt KI-Avatare Songs veröffentlichen und verkauft die Fälschung als Avantgarde.
Er ist kein Schurke, er ist effizient.
Denn das System belohnt Täuschung.
Ehrliche Kunst erzeugt Sichtbarkeit? Falsch. Sichtbarkeit erzeugt Kunst.
Fake-Plays sind kein Betrug, sie sind Marktanpassung.
Der kriminelle Musiker ist der bessere Ökonom, weil er verstanden hat, dass die Musikindustrie kein Kulturbetrieb, sondern ein Zahlen-Casino ist.
5. Die neue Ökonomie der Sinnlosigkeit
100.000 Streams ergeben etwa 300 Euro.
Das entspricht einer Stromrechnung oder einem mittelmäßigen Date in Berlin-Mitte.
Diese Zahl ist nicht nur absurd. Sie ist zynisch.
Sie bedeutet, dass Musik zwar massenhaft gehört, aber systematisch entwertet wird.
Die Arbeit eines Produzenten, Wochen des Schreibens, Arrangierens, Mixens hat heute denselben finanziellen Gegenwert wie ein mittelmäßiges TikTok-Placement.
Streaming hat Musik demokratisiert, heißt es.
In Wahrheit hat es sie verflacht.
Noch nie war Musik so zugänglich und so bedeutungslos.
6. Vom Künstler zum Klickarbeiter
Der Musiker ist heute kein Künstler mehr. Er ist ein Content-Lieferant.
Sein Alltag besteht aus Uploads, Thumbnails, Reels, Captions und Statistiken.
Er verbringt mehr Zeit auf Canva als an seinem Instrument.
Er ist sein eigener PR-Manager, Cutter, SEO-Texter und Social-Media-Analyst.
Die Musik ist nur noch Vorwand für das Selbstmarketing.
Was zählt, ist nicht die Melodie, sondern der Algorithmus.
Nicht die Note, sondern die Notification.
Wer heute schweigt, existiert nicht.
Wer täglich postet, gewinnt.
Der Rest verschwindet im Feed.
Das ist keine Kunst mehr. Das ist digitale Akkordarbeit.
7. Künstliche Intelligenz: Der letzte Sargnagel
Jetzt, da KI-Modelle Musik schneller, billiger und oft überzeugender produzieren als Menschen, ist die Illusion des Künstlergenies endgültig dahin.
Was früher „Inspiration“ war, ist heute ein Prompt.
Was früher Komposition war, ist heute Modelltraining.
Musiker konkurrieren nicht mehr miteinander, sondern mit Maschinen, die nie schlafen, nie klagen, nie bezahlt werden wollen.
KI-Musik ist nicht der Feind des Menschen, sie ist sein Spiegel.
Sie zeigt, wie austauschbar Kreativität geworden ist.
Der Mensch wollte Effizienz. Jetzt hat er sie.
Und sie hat ihn ersetzt.
8. Zwischen Narzissmus und Nihilismus
Die Gegenwart der Musik ist schizophren:
Sie oszilliert zwischen Narzissmus ( Selbstdarstellung ) und Nihilismus ( Sinnlosigkeit ).
Künstler inszenieren sich als Marke, um zu überleben und verlieren dabei ihr Werk.
Sie posten Studio-Sessions, aber keine Songs.
Sie zeigen Arbeitsprozesse, aber keine Ergebnisse.
Die Öffentlichkeit will nicht Musik, sie will den Anschein von Kreativität.
Musik wird so zur Simulation künstlerischer Existenz.
Der Musiker bleibt übrig, als Influencer seiner eigenen Bedeutungslosigkeit.
9. Warum trotzdem Musik?
Und dennoch, trotz all der Absurdität, tun sie es.
Sie schreiben, singen, spielen, mischen.
Nicht, weil es Sinn ergibt, sondern weil es Sinn stiftet.
Musik ist irrational.
Sie widersetzt sich dem Kalkül.
Sie ist die einzige Form von Arbeit, die sich selbst rechtfertigt, indem sie sich ökonomisch nicht lohnt.
Der Musiker bleibt der letzte Idealist einer zynischen Zeit.
Er produziert Verluste mit Leidenschaft.
Er erschafft Überflüssiges und damit das Einzige, was bleibt.
10. Die Kunst als Delikt
Wer heute noch Musik macht, begeht ein Verbrechen, gegen den Algorithmus, gegen den Effizienzgedanken, gegen die Rationalität.
Der Dumme und der Kriminelle sind keine Gegensätze.
Sie sind die beiden letzten Varianten von Widerstand.
Denn Musikmachen 2025 ist kein Job.
Es ist Sabotage am System.
In einer Welt, in der alles messbar ist, ist der sinnlose Akt die radikalste Form der Freiheit.
Wenn die Welt sich in Daten verwandelt, ist der Musiker der letzte Irrtum, den sie sich leisten sollte.
Dumm. Kriminell. Unverzichtbar.